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Eine Predigt

Das Vaterunser ist wahrscheinlich das berühmteste Bittgebet der Welt, es steht im Matthäusevangelium 6,9-13.

Wir kennen das Vaterunser in verschiedenen Wortlauten: Die ökumenische Fassung des Vaterunsers, wie wir sie meist beten, heißt.

Vater unser im Himmel.
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Ich selbst würde so übersetzen:

Unser Vater in den Himmeln.
Dein Name werde geheiligt.
Deine Königsherrschaft komme.
Es geschehe dein Wille wie im Himmel so auch auf Erden.
Unser Brot für morgen gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Bösen.
Denn dein ist die Herrschaft und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Das Vaterunser ist berühmt, weil wir es jeden Sonntag im Gottesdienst beten, entweder nach dem Fürbittengebet, oder als Tischgebet vor dem Abendmahl. Wir beten es nicht nur im Sonntagsgottesdienst, auch bei Hochzeiten und bei Beerdigungen.

Das Vaterunser ist berühmt, weil es nicht nur bei uns, sondern überall auf der Erde in den Gottesdiensten gebetet wird. Das Vaterunser ist ein Gebet, das die Welt umspannt. Es ist schon ein großartiger Gedanke, wenn man sich vorstellt, dass das Vaterunser an jedem Wochenende einmal rund um die Erde gebetet wird. Es läuft mit der Zeitverschiebung rund um die Erde.

Berühmt ist es auch, weil es sehr viele kennen. Bei Umfragen hat man herausgefunden, dass selbst viele Menschen das Vaterunser regelmäßig beten, die sich vom christlichen Glauben entfernt haben.

Bergpredigt
Wie kam es zu dem Vaterunser? Das Matthäusevangelium erzählt es so: Jesus war mit seinen Jüngern auf einen Berg und lehrte sie. Jesus war ja oft wie ein Lehrer, der die Menschen unterrichtete und zu ihnen predigte. Sie waren sehr lange auf diesem Berg zusammen, nur Jesus mit seinen Jüngern, das andere Volk war nicht dabei. Und alles, was Jesus sagte, wurde später zusammengefasst unter der Bezeichnung: die Predigt auf dem Berg oder die Bergpredigt. Und in der Mitte dieser Unterweisung auf dem Berg, hat Jesus den Jüngern gesagt, wie sie beten sollen. „So sollt ihr beten“, sagte er, und dann hat er ihnen das Vaterunser gesagt. „So sollt ihr beten: Vater unser im Himmel, geheiligt werden Name...“ Wenn wir das Vaterunser heute beten, dann sprechen wir Worte von Jesus nach. Jesus war der erste, der so gebetet hat, wir beten mit Jesu Worten.

Ich möchte an den einzelnen Sätzen entlang gehen und fragen: Was beten wir eigentlich, wenn wir das Vaterunser beten. Die Sätze gehen ja immer so schnell vorbei beim Sprechen. Ich möchte mich einen Moment bei den einzelnen Sätzen aufhalten. Wir werden dabei auch einige schwer verdauliche Brocken finden. Das Vaterunser ist ein Bittgebet mit sechs Bitten bzw. Flehen und einem Satz am Ende, der Gott lobt.

Unser Vater in den Himmeln
Unser: Das Vaterunser wird nicht nur von einer Person gebetet, es schließt den Beter gleich in eine große Gruppe mit ein, auch wenn er es alleine betet.

Vater: Wir dürfen zu Gott Vater sagen. Wir sagen Vater zu dem Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, der die Welt am laufen hält, der die Menschen geschaffen und erwählt hat. Viele haben mit dem Wort „Vater“ im Vaterunser Probleme. Es gibt gute Väter und schlechte Väter und wenn man einen schlechten Vater hat oder hatte und jetzt zu Gott Vater sagen soll, dann muss man das erst einmal im Kopf klar bekommen. Trotzdem: Wir sind die Kinder Gottes, die zu Gott einfach, direkt, familiär, vertraulich, vertrauensvoll und respektvoll Vater sagen dürfen. Wir dürfen ihn als Vater anrufen.

In den Himmeln: Im Griechischen steht hier die Mehrzahl, also „Himmeln“, nicht „Himmel“. Diese Worte gehören zu Vater. „Unser Vater in den Himmeln“, es ist also nicht unser Vater auf der Erde, es handelt sich hier um den himmlischen Vater.

Die erste Bitte: Dein Name werde geheiligt
Dies ist die erste und wohl die wichtigste Bitte des Vaterunsers, weil sie an erster Stelle steht.

Zunächst:
Name: Der Name ist gleichbedeutend mit der Person, mit dem Wesen der Person, mit seiner Heiligkeit und Majestät. Gottes Name ist „JHWH“. Da, wo Gottes Name ist, ist er selbst gegenwärtig. Da, wo wir in Jesu Namen etwas bitten, da bitten durch Jesus.

Heiligen: „Heiligen“ heißt „groß machen“. Wir bitten darum, dass Gottes Name groß gemacht wird.

Was bitten wir also?
Wir bitten, dass Gott nach der Entweihung und der Entheiligung durch die Menschen nun wieder geheiligt, verherrlicht, angebetet, gelobt und gepriesen werde. Der Mensch hat Gott missachtet, hat Götzendienst betrieben, hat Gottes Gebote übertreten, das soll nun zu Ende sein.

Wer soll Gottes Name heiligen?
Soll das Gott tun oder sollen das die Menschen tun? Wohl beide, der Satz ist hier recht offen formuliert.

Wann und wie geschieht das?
Das Heiligen des Namens von Gott geschieht in seiner ganzen Größe und Herrlichkeit dann, wenn Gott seine Königsherrschaft im Himmel und auf der Erde vollkommen aufrichtet. Das geschieht aber auch, wenn die Beter Gott durch Worte und Taten verherrlichen und seine Königsherrschaft anerkennen. Diese Bitte kann man nur aussprechen, wenn man bereit ist, nichts zu tun, was dem heiligen Namen Gottes widerspricht.

Die zweite Bitte: Deine Königsherrschaft komme
Die zweite Bitte bezieht sich ganz deutlich auf den Tag, an dem Gott seine Königsherrschaft vollkommen aufrichtet. Jesus ging davon aus, dass der Tag sehr bald kommen werde. Mit dem Erscheinen von Jesus hat die Königsherrschaft Gottes schon begonnen. Der entscheidende Anfang ist schon gemacht, aber vollkommen wird sie Gott an einem Tag aufrichten, den er allein kennt. Dieser Tag wird Gottes Macht, Größe und Heiligkeit zeigen. In Gottes Reich werden die Menschen dann Gott Ehre erweisen. In seinem Reich werden die Menschen nach Gottes Willen leben. Und dort haben Leid und Tod ein Ende.

Die dritte Bitte: Es geschehe dein Wille wie im Himmel so auch auf Erden
In der dritten Bitte bitten wir, dass Gottes Wille geschieht im Himmel und auf der Erde, denn dort geschieht er noch nicht. Auch hier stellt sich wieder die Frage, wie dies genau gemeint ist.

Was ist Gottes Wille?
Gottes Wille ist bekannt. Gottes Wille steht in der Bibel, wir finden ihn in den Zehn Geboten und in den Geboten die Jesus gibt. Jesus sagt: Liebe Gott und die Menschen, das ist das höchste Gebot. Der Wille Gottes hat etwas mit Ethik zu tun, mit dem rechten Tun gegenüber Gott und gegenüber dem Mitmensch. Gottes Wille ist es auch, dass alle Menschen gerettet werden.

Wer ist dafür zuständig, dass Gottes Wille geschieht?
Ist Gott dafür zuständig oder der Mensch? Auch diese Bitte ist wohl so zu verstehen, dass beide zuständig sind, Gott und Mensch. Gott wird am Ende der Zeit dafür sorgen, dass sein Wille geschieht, das erbitten wir. Aber auch die Menschen können schon jetzt für Gottes Willen eintreten. Die Menschen, die das Vaterunser beten, erkennen den Willen Gottes bereits an und wollen ihn tun.

Die vierte Bitte: Unser Brot für morgen gib uns heute
Den genauen Sinn dieser Bitte kennt niemand, da hier im Griechischen ein Wort steht, das es eigentlich nicht gibt. Deshalb gibt es verschiedene Übersetzungen dieser Bitte, z.B.: Unser tägliches Brot gib uns heute.Das Brot, das wir brauchen, gib uns heute.Unser existenznotwendiges Wort gib uns.Das zukünftige Himmelsbrot gib uns.Unser Brot für morgen gib uns heute.
Ich habe mich für die letzte Möglichkeit entschieden. Wenn ich diese Bitte so verstehe, dann muss man diese Bitte auf dem Hintergrund von Armut verstehen. Die Nahrung für den folgenden Tag war oft nicht da. Es gab viele Tagelöhner, die heute noch nicht wussten, ob sie am nächsten Tag Arbeit bekommen würden und die oft nicht wussten, ob sie und ihre Familien etwas zu essen haben würden. Hier bittet also einer, dass er eine ruhige Nacht hat und vor Sorge nicht wach liegen muss.

Die fünfte Bitte: Und vergib uns unsere Schulden, wie auch wir unseren Schuldnern vergeben haben
Bei der fünften Bitte geht es um die Vergebung der Schuld. Auch Jünger und Christen sündigen noch und brauchen Vergebung. Interessanterweise ist bei dieser Bitte die göttliche Vergebung an die menschliche Vergebung gebunden, aber der Beter kann daraus keine Bedingung machen. Der Satz „Gott, weil ich vergeben habe, vergib du nun auch mir“, ist nicht zulässig. Der Beter bittet darum, von Gott angenommen zu werden. Jeder Mensch lebt von der Vergebung Gottes. Jesus Christus hat durch seinen Tod am Kreuz und seine Auferweckung von den Toten Vergebung und Rettung erwirkt.

Die sechste Bitte: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern bewahre uns vom Bösen
Bei dieser Bitte – die fast ein Hilfeschrei ist – geht es um die Versuchungen, die im alltäglichen Leben begegnen. Wenn wir so beten, dann sind wir unser nicht sicher.
Wer so betet, weiß, dass Versuchung kommt und er ist unsicher, ob er sie bestehen kann. Er bittet, dass es gar nicht erst zur Versuchung kommen möge.

Führt Gott in Versuchung?
Offensichtlich ist das so, wie selbstverständlich geht dieser Satz davon aus. Gott führt in Versuchung, er erprobt und prüft Menschen, das wird an einigen Stellen der Bibel beschrieben. Immer weiß man aber auch, dass Gott in jedem Fall bei dem Menschen ist, ihn leitet und begleitet.

Bewahre uns vom Bösen
Das ist der Nachsatz bei dieser Bitte, eine Weiterführung der Bitte. Gott soll mehr tun, als nur vor Versuchung zu bewahren, er soll aktiv einschreiten und retten, befreien und erlösen. Es gibt eine böse Macht, die hinter der Versuchung steht.
Böse Dinge, das kann unterschiedliches sein: Bedrängnis, Krankheit, böse Menschen, böser Trieb, böse Begegnungen, böse Gedanken, böse Träume und Leiden. Wer die sechste Bittet betet, der bittet darum, dass er vor einem Abfall von Gott bewahrt wird.

Der Lobspruch: Denn dein ist die Herrschaft und die Macht und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Dieser Lobspruch steht nicht am Ende des Vaterunsers in unseren Bibeln, das ist ein Satz, der später hinzugefügt wurde. Wenn sie ihre Bibel aufschlagen, dann ist das da auch vermerkt. Dennoch ist dieser Lobspruch wichtig. Er schließt an die sechste Bitte an und sagt noch einmal ganz deutlich: Trotz Versuchung und trotz des Bösen: Gott ist stärker. Die Macht des Bösen vergeht, sie wird überwunden durch die Macht Gottes.

Frank Rudolph